Im Prater, einem Vergnügungspark in Wien, befindet sich das Karussell Tagada.
Denise kommt seit sechs Jahren fast jeden Tag.

Sie dreht Runde, um Runde, um Runde, um ihre Vergangenheit zu vergessen.

„Ich kann mich gehen lassen und wenn ich auf dem Karussell stehe, fliegen alle meine Probleme davon“, erzählt die junge Frau.

So entflieht Denise für einen Moment lang der Realität.

Regie: Bernhard Wenger
Kameraführung: Rupert Höller
Bearbeitung: Bernhard Wenger
Ton: Özgür Anil
Musik: DJ Webby

Interview

Bernhard Wenger | 99.media

Bernhard Wenger
Regisseur

„Ich habe versucht,
trotz des tragischen Themas
einen positiven Film zu machen.”
  • Wie kam es zu diesem Projekt?


„Gleichgewicht“ ist im Rahmen meiner Ausbildung an der Filmakademie Wien entstanden. Wir hatten die Aufgabe im ersten Semester eine Doku zu drehen. Ich ging mit diesem Wissen in den Wiener Vergnügungspark „Prater“ Um dort nach einer Geschichte zu suchen.

 

Ich wollte etwas Gegensätzliches finden, da in Vergnügungsparks nicht immer alles ist wie es leuchtet und scheint. Ich sah Denise auf dem elektronischen Karussell „Tagada“ und war sofort fasziniert.

 

Ich habe Denise lange am Karussell zugesehen und sprach sie dann an, mit der Frage die mich am meisten beschäftigte: „Wie kannst du das?“ Ihre erste Antwort war: „Ich mache das seit sechs Jahren fast jeden Tag.“ Da war mir klar, da steckt mehr dahinter. Ich habe ihr erzählt, dass ich nach dem Thema für eine Doku suche und sie gefragt, ob ich sie interviewen dürfte.

Keeping Balance | 99.media
  • Denise erzählt Ihnen von ihrer sehr harten Kindheit und Jugend.
    Wie haben Sie ihr Vertrauen gewonnen?


Ich habe bei den Interviews mit Denise von Anfang an Ton aufgenommen. Sie hat sich mir geöffnet und ihre ganze Lebensgeschichte erzählt, dabei kam die ganze Tragweite zum Vorschein, von der ich vorher nicht ahnen konnte. Wir haben mehrere Male gesprochen und es gibt ungefähr 8 Stunden Interviewmaterial.

Ich habe sie gefragt, warum sie von sich aus eine Doku machen wollen würde. Ihre Antwort war: „Einerseits hilft es immer über Dinge zu sprechen und andererseits möchte sie Menschen zeigen, dass man, egal wie schlecht es einem geht, immer einen Weg finden kann, weiter zu machen“.

Mir war es wichtig, dass der Film diese Einstellung trägt und ich habe versucht, trotz des tragischen Themas einen positiven Film zu machen.

Keeping Balance | 99.media
  • Wir hören Denises Stimme, aber wir sehen sie nie direkt in die Kamera sprechen.
    Warum haben Sie sich dafür entschieden?


Zum Einen hatte ich dieses Tonmaterial, auf dem mir Denise das erste Mal ihre ganze Geschichte erzählt hat. Ich denke es wäre nie möglich die Emotion und Authentizität dieser ersten Erzählung nochmals zu bekommen, wenn man danach Interviews gefilmt hätte.

Zum Zweiten bin ich kein großer Fan von Talking-Head-Dokumentationen und ich hätte nie eine Kamera zu einem ersten Interview mitgebracht, da sich so etwas eher hemmend auswirken oder InterviewpartnerInnen stressen kann.

  • Erzählen Sie uns etwas über die technische Seite des Films, besonders über die letzte Szene, in der die Kamera auf dem Karussell mitfährt.


Der Dreh war relativ einfach, wir haben Denise zwei Tage lang im Prater begleitet, da ihre Abläufe meist sehr ähnlich waren, konnten wir uns gut darauf vorbereiten.

Das Schwierigste waren natürlich die letzten Einstellungen, wo wir mit der Kamera im Karussell sind. Wir haben dazu auf der Filmakademie eine Vorrichtung bauen lassen, die wir in das Karussell schnallten um die Kamera zu befestigen. Der Tonmann saß rechts von der Kamera und ich saß links von der Kamera und wir fuhren 30 Runden mit Denise mit.

Es war von Anfang an Ziel, dass wir uns Denise über den Film hinweg mit der Kamera annähern und am Ende in ihrer Welt auf dem Karussell sind.

Keeping Balance | 99.media
  • Erzähle uns von deinen zukünftigen Projekten.


Auch wenn ich dokumentarische Arbeit sehr schätze und genieße, liegt mein Fokus auf fiktionalem Film. Ich habe seit „Gleichgewicht“ mehrere Kurzfilme gedreht und arbeite inzwischen am Drehbuch zu meinem Spielfilmdebüt PFAU.

  • Ein Wort zu 99 und der mehrsprachigen Untertitelung Ihres Films?


Es freut mich sehr, das Denise’s Geschichte und vor allem ihre Lebenseinstellung so einem internationalen Publikum in verschiedensten Sprachen zur Verfügung gestellt wird, vielen Dank dafür.

​Abonnieren Sie unseren Newsletter

Wir informieren Sie sobald ein neuer Dokumentarfilm erscheint.